Acht Jahre unter Präsident Putin - Eine Bestandsaufnahme
20:15 | 11/ 02/ 2008
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MOSKAU, 11. Februar (Andrej Wawra, RIA Novosti). Wladimir Putins Rede vor dem Staatsrat ist eine Art Abschied, der Abschluss einer Ära und eine Bestandsaufnahme der Ergebnisse.
Selbstverständlich wird in einigen Tagen noch seine traditionelle alljährliche Pressekonferenz stattfinden. Aber sie verläuft meist recht informell. Dabei wird es mehr Kommentare, Erläuterungen, präzisierende Anmerkungen und Berufungen geben. Kurzum: mehr Subjektives, Persönliches. Aber der offizielle Schlusspunkt wurde bereits in der Staatsratssitzung gesetzt.
Putins Rede am vergangenen Freitag war, das sei hier betont, außerordentlich emotional. Was nicht verwundert: Schließlich gab er einen Rechenschaftsbericht ab, und dies nicht nur seinen Kollegen und Mitstreitern gegenüber. In erster Linie aber sich selbst gegenüber, ob es geschafft oder doch nicht ganz geschafft hat, was er sich zum Ziel gesetzt hatte.
Die acht Jahre von Putin waren eine Zeit anstrengender Arbeit mit dem Zweck, das Land aus der Krise heraus zu führen. Putin schilderte die Situation im Land kurz vor seinem Antritt, ohne dabei mit kritischen Urteilen zu geizen. Objektiv gesehen, war die Lage damals sehr schwer. Deshalb hat Putin sehr wohl einen Grund, stolz zu sein. Außerordentlich viel ist in der Wirtschaft, für die Festigung des politischen Systems und im Sozialbereich getan worden. Deshalb widmete Putin einen bedeutenden Teil seiner Ansprache der Aufzählung, was erreicht worden ist.
Aber ungeachtet der unbezweifelbaren Erfolge - sie sind wirklich beeindruckend - forderte Putin die Machtoberen auf, selbstkritisch zu sein. Die Machtoberen, sagte er, dürfen auf das Erreichte stolz sein, aber keinesfalls überheblich werden.
Putin weiß nur zu gut: Nur die einfache Bewahrung dessen, was schon geleistet worden ist, eine Inertialentwicklung können für das Land nicht nur gefährlich, sondern sogar verderblich sein. Das würde es an den Rand der Weltzivilisation zurückversetzen und ihm die Rolle eines Rohstoffanhängsels der entwickelten Länder aufzwingen. Das bedeutet: All seine Anstrengungen, [WIKI]Russland[/WIKI] wieder unter die Weltmächte einzureihen, würden vergebens gewesen sein - wenn die heutige Stabilität (ich glaube, er hat dieses Wort in seiner Rede nur einmal gebraucht) nicht als Sprungbrett für einen neuen Durchbruch genutzt wird, sondern zur Stagnation ausartet.
Putin nannte das Hauptproblem der russischen Wirtschaft: ihre starke Ineffizienz, die außerordentlich niedrige Arbeitsproduktivität. Aber wie geht das vor sich: Das Land wird reicher und blüht auf, obwohl die Wirtschaft sehr wenig effektiv ist? Putin pointierte nicht das Thema der hohen Einnahmen aus dem Export der Energieträger als die Hauptursache des schnellen Wirtschaftswachstums. Aber aus dem, was er sagte, geht das klar hervor. [WIKI]Russland[/WIKI] verdankt seinen Erfolg weit mehr hohen Energiepreisen als den Talenten und Fähigkeiten seiner Wissenschaftler, Erfinder, Manager und Arbeiter.
Ein wichtiger Passus in Putins Ansprache war die Aufforderung zur Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich, die bei uns kritische Ausmaße angenommen hat. Darunter zwischen den reichen und den armen Regionen. Es muss eine nicht nur formelle, sondern faktische Gleichheit der Regionen und Republiken gewährleistet werden, erklärte der Präsident. Der Flickenteppich der sozialen und ökonomischen Formen - das Bild, das heute die Gesamtheit der russischen Regionen im Grunde bietet - ist eine überaus gefährliche Sache.
Putin hat zugegeben, dass sich der Kreml mit der Wirtschaftsreform nur teilweise beschäftigte. Er benannte die Hauptaufgabe für heute und die Zukunft: qualitative Veränderung der Entwicklung des Landes. Was er vorschlägt, ist nicht eine auf dem Trägheitsgesetz, sondern auf Innovationen basierte Strategie, der die höchsten modernen Technologien zugrunde liegen.
Hier ist hinzuzufügen, dass Fragmente der Reform unter anderem auch in der (besonders in den letzten Jahren auffallenden) beträchtlichen Verstärkung der Rolle des Staates in der Wirtschaft zum Ausdruck kam, darunter in der Bildung von riesigen staatlichen Holdings und der Verstaatlichung der Energieaktiva. Dass der Staat ein ineffektives Subjekt der Wirtschaftstätigkeit ist, gehört schon längst zu den Allgemeinplätzen. Wie die laufende Wirtschaftspolitik mit der deklarierten (und offenbar für [WIKI]Russland[/WIKI] notwendigen) innovativen Strategie in Einklang gebracht werden soll, ist nicht besonders klar.
Als nationale Priorität bestimmte er umfassende Investitionen in das Kapital Mensch. Er hob die Bereiche Bildungs- und Gesundheitswesen hervor. In letzter Instanz die Schaffung von Motivation einer innovativen Haltung (ein neuer, früher in seinen Reden nicht gebrauchter Terminus). Was natürlich den Kampf gegen die Ausweitung des staatlichen Paternalismus und die Bittstellermentalität eines Großteils unserer Bürger voraussetzt. Es ist klar, dass der Staat nicht zum gesamtrussischen Sozialversorgungsamt absinken darf.
Putin forderte zu einem Gesellschaftsdiskurs über die Entwicklungsstrategie des Landes auf. Es geht darum, dass die Pläne des Kreml zu den Plänen des Volkes werden. Hierbei ist die Strategie als konkrete Konzeption und ein schrittweiser Handlungsplan der Regierung bis 2020 zu formulieren.
[WIKI]Russland[/WIKI] hat alle Möglichkeiten, die grandiosesten, die ambitioniertesten Pläne aufzustellen. Mit diesen Worten schloss Putin seine Ansprache.
Es ist kaum jemand zu finden, der diese Pläne nicht unterstützen würde. Aber alles hängt von der "Kleinigkeit" ab, von der Art, wie sie in die Tat umgesetzt werden. Denn ein innovativer Entwicklungsplan ist kein erst seit heute bestehendes Vorhaben des Präsidenten. Putin sprach bereits vor anderthalb Jahren davon. Aber nach anderthalb Jahren passierte uns der Flop mit dem GLONASS-System. Auch das Wörtchen "Nano-" wird neuerdings etwas zu oft in einem heiteren Zusammenhang gebraucht.
Acht Jahre unter Präsident Putin (auch für mich) eine Super Sache:
http://c.onvista.de/h_kl.html?PERIOD...TATION=8313419
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