Merkel trifft Putin in Sotschi
Bundeskanzlerin, EU-Ratsvorsitzende - Angela Merkel ist gleich in mehreren Funktionen zum Treffen mit Russlands Präsident Putin gereist. Im Schwarzmeer-Ort Sotschi wird sie auch den Vorsitz der G8 übernehmen. Bei dem Treffen dürfte es nicht zuletzt um Energiefragen gehen.
"Merkel will die Europäische Union putzen" - so überschreibt die Kreml-nahe Zeitung "Rossiskaja Gaseta" ihren Artikel über Merkels Reise. Sie habe immerhin eindeutig zu verstehen gegeben, dass das weitere Schicksal der Europäischen Union nicht zuletzt von den Beziehungen zu Russland abhängig ist, schreibt man und ist stolz, eine solche Rolle zu spielen.
Und obwohl natürlich der Vertragsbeginn für das neue Partnerschaftsabkommen zwischen Brüssel und Moskau ein Thema in Sotschi sein soll - Energie bleibt Dreh- und Angelpunkt aller Beratungen. Merkels Appell, man brauche zuverlässige Beziehungen zu Russland, wird gern zitiert, obwohl der Kreml erst spät lernte, dass dazu mehr als das Abdrehen von Öl- und Gaspipelines gehört, beispielsweise rechtzeitige Konsultationen, wenn Drittländern mit Folgen für Europa der Hahn abgedreht wird.
Vertrauen gestört
Nachdem der Öl- und Gasdisput zum Jahreswechsel das Vertrauen in die russische Lieferzuverlässigkeit erschütterte, wird Putin versuchen, genau das wiederherzustellen. Für etwas mehr als zwei Stunden Gespräch lockt er Merkel in seine Sommerresidenz ans Schwarze Meer. Die Kanzlerin wird dort wohl nicht übernachten, wie einst ihr Vorgänger, der kurzerhand das Putin-Gästebett dem Hotel vorzog.
Ob sie allerdings dort eher Schnee finden wird als in Moskau, wie der deutsche Botschafter lustig mutmaßte, ist unklar. Die Wintersportsportorte wird Merkel kaum besichtigen, obwohl Sotschi doch 2014 so gern die olympischen Winterspiele ausrichten möchte und Putin seit kurzem nach dem Vorbild anderen Staatsmänner seine Gäste in unterschiedliche Landesteile lockt.
Gleiche Bedingungen gefordert
Berlin kann nicht mit der Ratifizierung der umstrittenen Energiecharta rechnen, das machte Putin-Berater Schuvalov unlängst erneut klar. Moskau hält aber am Ziel fest, Gas bis zum europäischen Endkunden zu liefern - ein Anliegen übrigens, das Angela Merkel für legitim hält, sofern auch europäische Unternehmen an die Quellen der Gas- und Ölvorkommen herangelassen werden, wie zum Beispiel an das gigantische Stockman-Feld im Eismeer.
Besorgnis rufen bei Merkel "Ereignisse" hervor - ein diplomatischer Euphemismus. Dazu zählen gewiss der Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja, aber auch am Ex-Agenten Alexander Litwinenko. Merkel, EU-Rats- und G-8-Vorsitzende, tritt selbstbewusst und emotionsloser auf als ihr Vorgänger.
Keine ungewünschten Begegnungen
Böse Zungen wollen auch wissen, dass Merkel deshalb nach Sotschi kommen musste, weil dort die Chancen, Oppositionelle und Menschenrechtler zu treffen, geringer seien. Dennoch wollen die beiden auch humanitäre Fragen erörtern und solche der Demokratie. Merkel betont, dass sie Putin ganz offen und mehrfach gesagt habe, dass das Vorhandensein anderer Meinungen in einer Gesellschaft ganz normal sei.
Dennoch registriert man auch hier die Ansicht eines hochrangigen, deutschen Diplomaten, der zitiert wird: Berlin habe von Russland keine außenpolitische Solidarität zu erwarten, sondern man beschränke sich auf die Suche nach Übereinstimmungen in geschäftlicher Hinsicht.
Dass ferner das Atomprogramm des Iran, Afghanistan, der Kosovo und Irak auf dem Gesprächsblock stehen dürften, versteht sich von selbst. Im Gespräch mit US-Außenministerin Condoleezza Rice vereinbarte Merkel auch, das Nahost-Friedensquartett wieder zu beleben. Ein ganzseitiges Foto beider Politikerinnen in der "Nesawissimaja Gaseta" diente aber nicht der politischen Standortbestimmung, sondern der Modekritik. Schrieb der Reporter doch unter das Bild von Frau Merkel im Hosenanzug: "Die Kanzlerin im T-Shirt, das ist ja wohl das letzte."
http://www.tagesschau.de/aktuell/mel...F3_BAB,00.html
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